Fressometer
Es passiert ja schonmal, dass ich gefragt werde, ob ich als Mediator denn selbst weniger Konflikte habe. Und ich denke, dass ich ganz beruhigt antworten kann, dass sich meine Konflikte in der Anzahl nicht wesentlich verändert haben. Allerdings glaube ich, dass ich mittlerweile anders mit ihnen umgehe. Glaube ich. Hoffentlich. Fremd- und Selbstbild und so. Es fühlt sich jedenfalls so an und ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass die Mediationsausbildung die mit Abstand wertvollste Ausbildung meines Lebens war. Das am Rande.
Vor dem reflektierenden Umgang mit dem Leben macht es mir eine Menge Spaß, Verhalten anders oder neu zu gestalten. Deswegen heißt diese Blog-Kategorie hier auch „Neugedacht“. Die Ergebnisse, die dabei herauskommen, erfreuen mich zum Teil über Monate oder Jahre.
So ist das „Fressometer“ entstanden
Ein Klassiker der Kindererziehung ist vermutlich das Thema Zeit, die für einzelne Lebensbereiche aufgewendet werden darf. Und wenn es eilig ist, fehlt auch manchmal die Zeit für das Frühstück. Ich gebe absolut jedem Ernährungswissenschaftler und Pädagogen recht, die sagen,
- dass Mahlzeiten ihre Zeit brauchen,
- dass Kinder hier nicht gedrängt werden sollen und
- dass für diese wichtigen Rituale ein passender Zeitrahmen vorgesehen werden soll.
Kann ich eindeutig verstehen und stimme zu — gleichzeitig ist es so, dass sich mein Leben (oder ich oder die Umstände) nicht immer an alle Ratschläge und Rahmenbedingungen hält. Wenn also Anna, meine Tochter und Ben, mein Sohn (zu diesem Zeitpunkt ca. drei Jahre alt) in der Küche zusammen gefrühstückt haben, hatten wir mal mehr und mal weniger Zeit. Insbesondere dann, wenn weniger Zeit für das Frühstück zur Verfügung stand, habe ich Ben (mit zunehmend schlechtem Gewissen) zur Eile beim Essen ermuntert (welch ein Euphemismus).
Irgendwann wurde mir klar, dass zwar Anna und ich die Zeit im Überblick hatten, Ben war das aber noch nicht möglich. Das war der Punkt, an dem innerlich das „Fressometer“ (SOLL-Essgeschwindigkeitsanzeiger) geboren wurde, ein „Werkzeug“, mit dem ich Ben kindgerecht erläutern konnte, wieviel Zeit er für sein Frühstück hat. Am Anfang war das übrigens ein reiner Spaß, in 73 Sekunden gebastelt und an den Küchenschrank gepinnt. Bis uns klar wurde, dass das Fressometer für uns tatsächlich eine Hilfe ist.
Und so funktioniert das Fressometer:
Ist tatsächlich „kinderleicht“ verständlich, trotzdem: Wenn wir viel Zeit hatten, drehte Ben den Zeiger in Richtung Schildkröte, bei wenig Zeit deutete der Pfeil auf den Hasen. Das Schöne war, dass ich während des Frühstücks jederzeit nachregeln konnte. Ein besonderer Genuss war es jederzeit, am Sonntag den Regler komplett auf die Schildkröte einzustellen, weil wir uns dann so richtig schön Zeit lassen konnten beim Frühstück.
Im Fressometer 2.0 haben wir den gesundheitlichen Aspekt stärker berücksichtigt und den „grünen Bereich“ mit aufgenommen. Die Schildkröte ist komplett im grünen Bereich, je weiter wir in Richtung Hase kommen, umso roter und damit ungesünder wird der Essvorgang.
Das Fressometer 2.0 haben wir zu zweit gebastelt, Ben wollte es auch an anderen Orten für das Frühstück nutzen können und wurde von ihm selbst ausgemalt.