Der Dopplereffekt der Mediation
Seit Tagen schwirren mir ein paar Themen durch den Kopf, die mit Zahlen verknüpft sind.
Zum einen geht es um die Einschätzung der Erfolgs-Chancen durch Rechtsanwälte, wenn sie von ihren Mandanten gefragt werden „Wie hoch sind meine Chancen in dieser Sache?“ — nach Kahnemann/Tversky tritt hier ein Effekt zutage, der als das WYSIATI-Prinzip beschrieben wird:
Das WYSIATI-Prinzip (What you see is all there is = Was Du für wahr hältst, ist das, was Du wahrnimmst…) besagt, dass die eigene Perspektive stärker wahrgenommen wird und somit vorteilhaft bewertet wird.
Dies ist ein sozialpsychologisch recht gut untersuchtes Thema der überoptimistischen Einschätzung der eigenen Rechtsposition. In der IHK habe ich mal in einem Vortrag die Zahl gehört, dass die addierten Erfolgs-Wahrscheinlichkeiten, wenn in gleicher Sache die Anwälte beider Seiten befragt werden im Schnitt bei 160% liegen (d.h. beide Seiten geben eine 80%ige Wahrscheinlichkeit für den Prozessausgang zu ihren Gunsten ab).
Zum zweiten kann ich die Zahlen zu Prozessergebnissen nicht vergessen, die ich auf dem Baumediationstag in Essen gesehen habe:
Die Chancen für einen gewonnen Prozess für einen Konflikt liegen danach bei 30%. Die Chancen für einen verlorenen Prozess liegen bei 19%. Die Chance für einen Vergleich liegen bei 51%.
Aus meiner Sicht ist ein Vergleich mit einem Kompromiss gleichzusetzen. Beide Seiten geben etwas nach und erhalten dafür etwas. Eine echte Konsenslösung sieht anders aus.
Die Wahrscheinlichkeit, entweder einen Teil oder alles zu verlieren, liegt nach diesen Zahlen nach einem Gerichtsprozess bei 70% — umgekehrt liegt die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen demnach bei 30%.
Das dritte Thema, dass mir nicht aus dem Kopf geht ist die Erfolgsquote von Mediationen, die je nach Untersuchung zwischen 75% und 90% liegt. Wenn ich an dieser Stelle ganz vorsichtig Adam Riese zu Rate ziehe, kann ich feststellen, dass die Erfolgsquote der Mediation hier mindestens doppelt so hoch wie beim Gerichtsprozess liegt:
Die Chance, mit einer Mediation zu einem Konsens zu gelangen, liegt mindestens doppelt so hoch wie die Wahrscheinlichkeit, einen Prozess zu gewinnen.
Interessant ist auch, wie sich die Schadenaufwendungen für den Versicherer zusammengesetzt haben:
Quelle: Siehe hier unter Nachtrag.